Beim morgendlichen Blick vom Balkon kam endlich mal ein wenig Freude auf. Zwar war es immer noch einigermaßen bewölkt, aber die Wolken sahen nicht mehr so schwer und grau aus und vereinzelt ließen sich sogar blaue Felder am Himmel blicken.
Entsprechend hoffnungsvoll verließen wir Mulashi über einen ansteigenden, steinigen Fahrweg, der bald in einen schmalen Pfad überging. In waldreichem Gebiet gewannen wir zügig an Höhe, das Wetter klarte auf, doch die Gipfel der umliegenden Berge wollten sich noch nicht zeigen.
Kurz vor dem höchsten Punkt das Tages trafen wir dann mit voller Wucht auf die Auswirkungen des aufkeimenden Skitourismus. Wie eine breite Narbe zog sich eine geschotterte Abfahrtspiste durch die ansonsten nahezu unberührte Landschaft.
Wir wollen der swanetischen Bevölkerung natürlich nicht das Recht absprechen, an einer Entwicklung hin zu mehr Wohlstand teilzuhaben, doch hoffen wir zumindest, dass die Einnahmen auch wirklich den Leuten vor Ort zugute kommen und dass die Natur, das größte Kapital dieser Region, dabei nicht unter die Räder kommt. Wir waren jedenfalls froh, die Skipiste nach wenigen hundert Metern wieder verlassen zu können, um weiter auf schönen Bergpfaden zu wandern.
Die Mittagspause verbrachten wir auf 2400m Höhe an einer Art Kiosk. Ein Zelt als Verkaufsstand, eine mit Getränkeflaschen gefüllte Badewanne, in die zur Kühlung eiskaltes Wasser aus dem nahen Bach geleitet wurde, selbstgebackener Kuchen und eine Aussicht zum Einrahmen boten alles, was man als Wanderer so braucht.
Frisch gestärkt gingen wir auf matschigen Wegen leicht bergab in ein langgezogenes Tal hinein. Am Nachmittag erreichten wir eine kleine Geländekante und dahinter entdeckten wir unvermittelt das Dörfchen Adishi.
Wir hatten das Gefühl, einen Zeitsprung gemacht zu haben. Auf einem kleinen Plateau oberhalb der Talsohle gelegen, sahen wir einfache Bruchsteinhäuser, überragt von trutzigen Wehrtürmen, eingebettet in eine archaische Landschaft von unglaublicher Schönheit. Fast genauso muss es hier schon im Mittelalter ausgesehen haben. Wir konnten uns nicht losreißen von diesem Anblick, doch irgendwann begaben wir uns auf die letzten Meter ins Dorf.
Jedes halbswegs brauchbare Zimmer schien hier an Wanderer vermietet zu werden und aus den anderen Häusern wurden Getränke und Snacks verkauft. Das alles aber noch ohne den morbiden, jahrhundertealten Charme des Dörfchens zu verfälschen. Unser Zimmer war so klein, dass das Gepäck auf dem Flur bleiben musste und in der Gaststube gab es nur eine lange Tafel. Die Familie saß im Zimmer nebenan, wo auch der Holzofen stand, der zum Kochen und Heizen diente. Internet gab es natürlich nicht, aber das braucht man auch nicht, wenn ein nahezu perfekter Tag für Gesprächsstoff ohne Ende sorgt.
Wanderung (rot) – Transfer (schwarz)
Wanderung von Mulashi nach Adishi
Maximale Höhe: 2488 m
Minimale Höhe: 1687 m
Gesamtanstieg: 922 m
Gesamtabstieg: -522 m
Georgien: Türme, Tschatscha und der Transcaucasian Trail
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